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Warum Sportwagen so extreme Motorleistungen haben

Selbst wenn man nicht einmal das „Monster“ in unserem Stall, den Bugatti Veyron mit seinen 1.200 Pferdestärken erwähnt, sind alle Sportwagen, die wir vermieten, ganz oben in der PKW-Leistungselite angesiedelt – sogar unser „Schwächster“, der Porsche 911 Carrera, bringt es immer noch auf 350 PS!

Das sind Werte, die vor nicht allzu langer Zeit nur im Rennsportbereich vorkamen – und davor Flugmotoren mit aberwitzig großen Hubräumen vorbehalten waren. Etwa dem Packard V-1650, einem britisch-amerikanischen V12, der in den 1940ern je nach Version zwischen 1650 und 2000 PS aus 27 Litern Hubraum schöpfte – aber auch nur, wenn man ihn mit 130- oder gar 150-oktanigem Flugtreibstoff versorgte und ihn alle paar Dutzend Betriebsstunden komplett zerlegte und im großen Stil Teile austauschte.

Doch wie schaffen es die heutigen Motoringenieure, hunderte Pferdestärken aus großen, aber demgegenüber viel kleineren Hubräumen, mit normalem, höchstens 98-oktanigem Kraftstoff und alltagstauglicher Teile-Lebensdauer zu liefern? Der folgende Artikel zeigt es.

Die Motorcharakteristik

Je nachdem, um was für ein Auto es sich handelt, muss die Charakteristik seines Triebwerks in eine ganz bestimmte Richtung gehen. Wer einen Stadtflitzer antreiben will, muss beispielsweise auf ein gutes Ansprechverhalten aus dem Stand achten, dementsprechend gutes Drehmoment auch in niedrigen Drehzahlen und vor allem auf den Verbrauch.

Bei Sportwagen ist das anders. Bei ihnen steht im Anforderungskatalog meist als oberste Maxime „Power“. Je nachdem, wie der Wagen ausgelegt wird, steht dabei eher eine hohe Drehzahl oder ein enormes Drehmoment im Fokus. Verbrauch, Lautstärke und auch Laufruhe sind nachrangig. Anders formuliert: Egal bei welchem Tempo, egal in welchem Drehzahlbereich, bei einem Sportwagen muss der Motor:



Und das vor allem unter der Prämisse, dass er solche Leistungen über einen langen Zeitraum liefert. Das ist der wichtigste Grund dafür, warum Sportwagenmotoren(-bauteile) zwar leicht, aber enorm robust sind und großdimensionierte Wasser- und Ölkühlsysteme besitzen – im Veyron beispielsweise stecken rund 15,5 Liter Motoröl. Zum Vergleich: im Golf 7 GTI sind es 5,7 Liter und selbst das ist für einen normalen PKW verhältnismäßig viel.

Einem normalen PKW-Motor würde deshalb eine halbstündige Vollgasfahrt am Drehzahlmaximum wahrscheinlich nicht guttun, weil das Triebwerk viel mehr dafür ausgelegt ist, in „gemütlichen Bereichen“ zu arbeiten. Einem reinrassigen Sportmotor hingegen bereitet das keine Probleme.

Die Wartung

in normaler Vierzylinder-PKW-Motor besteht aus etwa 1500 Einzelteilen. Und für die meisten davon gibt es sehr sorgsame Wartungspläne, die man von Profis durchführen lassen sollte. Aber: Autohersteller wissen, dass die Besitzer von handelsüblichen PKW oft nicht so genau sind, wie man es eigentlich sein sollte. Wartungen werden dann durchgeführt, wenn es zeitlich oder finanziell passt. Daher ist dort alles mit zusätzlicher Verschleißreserve konstruiert. Zwar nicht gut für höchste Leistungen, aber diese werden hier ja auch nicht zwingend benötigt.

Bei Sportwagen ist das anders. Die sind wesentlich kostspieliger. Und die Konstrukteure wissen, dass die Besitzer gerade deshalb die Wartungen wesentlich genauer ausführen lassen und die vorgegebenen Intervalle oft sogar über-erfüllen. Sie müssen deshalb keinen „Margin of Error“ einplanen, sondern können jedes Bauteil so konstruieren, dass es dem erwähnten Leistungsgedanken entspricht.

Die Zylinderzahl

Alle modernen PKW-Motoren beruhen auf dem Viertaktprinzip. Bei einem Vierzylinder bedeutet das, dass sich zu jeder Zeit nur ein Zylinder im Arbeitstakt befindet, also dort gerade eine Verbrennung des Kraftstoff-Luft-Gemisches den Kolben nach unten drückt. Nun gibt es zwar auch recht kräftige Vierzylindermotoren. Generell versucht man jedoch im Sportwagenbau anzustreben, dass in einem bestimmten Zeitraum möglichst viele Zylinder im Arbeitshub sind – klar, wenn auf mehrere Kolben gleichzeitig Druck erfolgt, kommt mehr Leistung heraus.

Porsche ist in diesem Sinne Purist. Dort hält man seit Jahrzehnten am Sechszylinder-Boxermotor fest. Schaut man sich jedoch andere Sportrenner an, haben die meist mindestens V8-Motoren, V10er, V12er oder im Falle des Veyron gar einen W16. Bei dem sind dann zu jeder Zeit drei Zylinder im Arbeitshub.

Der Hubraum

Es gibt unter Motorexperten einen Spruch: „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen außer mehr Hubraum“. Ganz falsch ist das nicht. Zumindest weil es aufgrund physikalischer Prinzipien einfacher wird, mehr Leistung zu produzieren, wenn man viel Hubraum hat. Um das zu erklären ist der Begriff Literleistung vonnöten. Er beschreibt, wie viel Leistung ein Motor pro 1000 Kubikzentimeter Hubraum erreichen kann. Ganz einfache Mathematik: Je mehr Hubraum ein Motor hat, desto mehr Leistung wird er auch ohne großartige Tuning-Maßnahmen haben. Da verwundert es auch nicht, dass bereits die ersten Generationen des Ford Mustang in den 1960ern aus 6,4 Litern respektable 325 PS herausholten – mit 50 PS pro Liter ist das ziemlich harmlos.

Auch heutige Sportwagenhersteller gehen gerne den Weg eines vergleichsweise großen Hubraumes. Der gibt eine „Grund-Power“. Dadurch wird es einfacher, durch weitere Maßnahmen zusätzliche Power zu generieren. Allerdings: Zwar kann man Literleistung enorm hochpushen, aber ebenfalls zum Preis eines abnormen Wartungsaufwands. Bestes Beispiel: Als in den 1980ern die Formel-1 mit gigantisch großen Turboladern unterwegs war, brachten es die Renner auf eine Literleistung von wahnsinnigen 1.000 PS! Freilich mussten diese Motoren nach jedem Training, nach jedem Rennen in ihre Einzelteile zerlegt werden. 

Aus dem Grund haben Straßensportwagen zwar hohe Leistungen. Aber die sind sehr fein austariert, um keine überbordenden Wartungsarbeiten zu benötigen. Mehr ginge zwar, würde aber herbe Abstriche bei der Alltagstauglichkeit bedeuten.

Die Aufladung

Turbos und Kompressoren hat zwar nicht jeder Sportwagen, aber einige. Der Grund: Wenn der Kolben im Ansaugtakt abwärtsfährt, generiert er einen Luftsog. Kommt der Kolben am unteren Ende seiner Bahn an, endet dieser Sog. Bis das Einlassventil schließt, gelangt nur noch ein Rest Luft in den Brennraum – diese Luftsäule kann man sich wie ein Gummiband vorstellen. Ist sie einmal in Bewegung, bewegt sie sich auch dann noch etwas weiter, wenn kein Zug mehr ausgeübt wird.

Hier das Problem: Aus technischen Gründen ist die Luftmenge, die man auf diese saugende Weise (deshalb auch Saugmotor) erzeugen kann, begrenzt. An dem Punkt kommt Aufladung ins Spiel. Da gibt es zwei Varianten:

Beide Techniken nutzen, stark vereinfacht, das Ventilatorprinzip: Sie drücken also viel mehr Luft in die Brennräume als es durch den reinen Kolbensog möglich wäre. Via Luftmassenmesser weiß die Motorsteuerung genau, wie viele Sauerstoffmoleküle sich in dieser Menge befinden und spritzt exakt so viel Benzin ein, wie es für eine zur Drehzahl passende Maximalleistung benötigt. Der Erfolg: Bei gleichem Hubraum wird die Luft stärker verdichtet, pro Arbeitshub wird mehr verbrannt und somit mehr Power bereitgestellt.